Der Sternenhimmel als Orientierungshilfe und Uhr

Der Sternenhimmel als Orientierungshilfe und Uhr

Die hinteren beiden Kastensterne des großen Wagens zeigen in 5-facher Verlängerung direkt auf den Nordstern, der wiederum die Spitze der Deichsel des kleinen Wagens markiert.

Der Nordstern ist ein Punkt von hervorragender Bedeutung am Himmelsgewölbe, er entspricht dem Nordpol auf der Erde. Liegt der Nordpol fest, so sind auch Südpol, Äquator, Ost, West, Süd, ferner die Bewegungsrichtung der Objekte am Himmel (Rotation der Erde) definiert.

Neben allen diesen Indikatoren, die der Nordstern definiert, ist seine Lage über dem Nordhorizont besonders wichtig, denn sein Winkelabstand vom Nordhorizont gibt direkt die „geographische Breite“ des Beobachters an. Auf hoher See hatte man in dieser Tatsache in den guten alten Zeiten, lange vor GPS, eine einfach zu ermittelnde wichtige Größe des Standortes, sofern das Wetter dies zuließ.

Meridianschnitt

Abb. 1: Der sogenannte Meridianschnitt. Phi ist die geogr. Breite des Beobachters

Die 2. Koordinate der Position ist der Längengrad.

Da sich in Bezug auf den Standort des Beobachters nicht nur der Sternhimmel, sondern auch Sonne, Mond und Planeten auf verschiedene Weise am Himmel durch die Drehbewegung der Erde um ihre Achse, und ihre Eigenbewegung, ständig bewegen, ist die Ermittlung des Längengrades etwas schwieriger.

Wir wählen den Sternenhimmel als Basis unserer Methode.

Die kontinuierliche Veränderung des Sternenhimmels über der Zeit kann nur mit einer Uhr kontrolliert werden, wir bedienen uns einer Himmelsuhr, oder einer Armbanduhr, je nachdem ob wir die Zeit oder den Längengrad ermitteln wollen. Beide Grössen stehen in einem direkten Zusammenhang.

Auch für eine Himmelsuhr benötigt man ein Zifferblatt. Die Stundeneinteilung übernehmen wir von der normalen Uhr, mit 1…12 Uhr. Die Zeigerachse ist der Nordstern.

Sternuhr

Abb. 2: Die Sternuhr

Bei einer Langzeit – Photographie in Richtung Norden sieht man die Strichspuren der Sterne, die ihre Bahnen kreisförmig um den Nordstern ziehen. Ein Stern oder besser noch ein Sternenpaar als Zeiger, erfüllen dieselbe Funktion wie der Stundenzeiger einer Normaluhr. Da wir auch noch 6 Uhr auf der Himmelsuhr ablesen wollen, muss diese Position am Himmel noch zu sehen sein. Der Zeiger unserer Uhr muss sich also „circumpolar“ am Himmel bewegen, das heisst er darf in seiner 6 Uhr Stellung nicht unter dem Horizont verschwinden. (circumpolar nennt man einen Stern, der nicht untergeht. Nicht jeder Standort auf der Erde zeigt circumpolare Sterne, am Äquator z.B. gibt es keine, und am Nordpol gibt es ausschliesslich circump. Sterne)

Für 50 ° nördl. Breite beginnt die circumpol. Zone ab 90°- 50° = 40° nördlicher Deklination.

Alle Sterne mit einer Deklination grösser + 40° bis + 90° gehen in 50° nördlicher Breite nicht unter. (siehe Abb. 1)

Die wohl populärste Sternkonstellation des nördlichen Sternenhimmel ist der grosse Wagen, ein Teil des Ursa Major ( grosser Bär ). Wir definieren unseren Zeiger als die beiden hinteren Kastensterne, deren 5- fache Verlängerung zum Nordstern und damit zur Achse des Zeigers führen. Die Deklination des polfernen Sterns ist 56°23′ , des polnahen 61°45′ . Beide Zeigersterne befinden sich auch in der 6 Uhr Stellung mehr als 15° über dem Horizont und sind somit deutlich zu erkennen. Unsere Himmelsuhr unterscheidet sich von einer Normaluhr nicht nur, dass sie in 24 Stunden nur 1 Umdrehung macht, sondern sie läuft auch noch gegen den Uhrzeigersinn.

Genau genommen benötigen die Sterne für eine Umdrehung am Himmel 23 Stunden 56 min. 4 sek. Man nennt diese Periode auch einen Sterntag. Dieser Tatsache haben wir es zu verdanken, dass zu einem bestimmten Tageszeitpunkt der Zeiger unserer Himmelsuhr während eines Jahres 1 Umdrehung macht. Diese Eigenschaften führen zu folgender „Gebrauchsanweisung“ der Himmelsuhr , um ihre Anzeige in unsere MEZ zu verwandeln.

  1. Man lese die Zeit der Himmelsuhr entsprechend des auf Abb. 2 dargestellten Zifferblattes ab, und zwar auf 1/4 Stunde genau.
  2. Man addiere die Zeit in Monaten, die seit dem 7. März um Mitternacht vergangen ist. (zu diesem Zeitpunkt stand die Himmelsuhr auf 12 Uhr in 15° östl Länge). Genauigkeit wieder mind. 1 Woche.
  3. Man multipliziere das Ergebnis mit 2 und ziehe den Betrag von 24 oder 48 ab.

Das Ergebnis ist der Zeitpunkt, zu dem die Beobachtung gemacht wurde, in MEZ auf 15° Ost, ebenfalls auf 1/4 Stunde genau.

Rechenbeispiel:

Die Zeigersterne zeigen auf 1 Uhr gemäß Abb. 2 . und der Tag der Beobachtung sei der 15. Februar.

Nach 2.) ergibt das 11 1/4 Monate

Das Ergebnis ist dann: 48 – ( 1 + 11 1/4 )*2 = 48 – 24,5 = 23,5, also 23 Uhr 30 min. MEZ

Dieses Ergebnis gilt genau nur für einen Beobachter auf 15° östl. Länge.

In Abhängigkeit von der Länge des Beobachters zeigt die Himmelsuhr also 12 Uhr zu folgenden Uhrzeiten an:

Länge MEZ UT Zonenzeit 15° Ost 0.00 Uhr / 8. März 23.00 Uhr / 7. März 0.00 Uhr 0° 1.00 Uhr 0.00 Uhr / 8. März 0.00 Uhr 15° West 2.00 Uhr 1.00 Uhr 0.00 Uhr 30° West 3.00 Uhr 2.00 Uhr 0.00 Uhr

zusammengefasst, heißt das: am 8. März 0.00 Uhr Zonenzeit steht der Zeiger unserer Uhr immer auf 12 Uhr, auf dem zur Zonenzeit gehörenden Längengrad.

Aus diesem Sachverhalt können wir jetzt die geographische Länge ableiten, wenn wir z.B.die Zeit des 0- Meridians (=GMT od. UT) haben.

Dazu ein weiteres Rechenbeispiel:

Nehmen wir an, die Himmelsuhr zeige am Beobachtungsort 2 Uhr.

Das Datum der Beobachtung sei Weihnachten, also der 25.Dezember. Das ergibt für die Anzahl der Monate seit dem 7. März ca. 9,8.

dies ergibt eine Zonenzeit von:

24 – ( 2 + 9,8 ) * 2 = 24 – 23,6 = 0,4 oder 0 Uhr 24 min

Wenn nun unsere Armbanduhr 3 Uhr GMT zeigt , so befinden wir uns ca. 2 1/2 Zeitzonen westlich vom 0 – Meridian, also bei ca. 37° westl. Länge.

Viel Spass beim ausprobieren!

Willy Mahl 24. Aug. 2000


Letzte Änderung am 11.12.2000 durch astroman

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